Der Urban Maker Club, ein Jugendkuntstschulprojekt des Direktorenhauses, ist eine kreative Community für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Berlin. Er verteilt sich mit seinen Ateliers und Studios über die gesamte Stadt.
Während der Schulzeit – aber auch in den Ferien – bietet der Urban Maker Club künstlerische und gestalterische Aktivitäten: Architektur, Kunst, Handwerk, Produktdesign, Mode, Musik, 3D-Druck und Virtual Reality – in allen Formen könnt ihr eure kreative Neugier ausleben. In Ferien sind wir an unterschiedlichen Standorten in Berlin und Brandenburg.
Manchmal ziehen wir los und starten zu Expeditionen, in die Natur, an andere Orte. Ihr lernt handwerkliche Techniken kennen, gestaltet eigene Produkte oder Kunstwerke. Über eine digitale Community vernetzt ihr Euch, teilt Eure Interessen und findet neue Freunde.
Vision
Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer mediatisierten Welt auf, in der Erfahrungen nur noch aus zweiter Hand gewonnen werden. Technische Geräte ersetzen den Spielraum der Hand. Haben unsere Hände wirklich nichts Wichtiges mehr zu tun?
Der design-didaktische Ansatz des Urban Maker Club ist es, die junge Generation an Kreativität und handwerkliches Gestalten heranzuführen. Damit einher geht die Vermittlung von weiteren lebenspraktischen Kompetenzen wie die Schulung von Sensorik, ästhetischem Empfinden, Intuition und eigener Problemlösung. Der Bildungsansatz setzt auf Erkenntnisse von Design Thinking, Synästhesieforschung und Neurologie auf und folgt Erfahrungen aus der Lernforschung. Wir glauben daran, das Kreativität und Selbstentfaltung auf dem Fundament einer ganzheitlichen Wahrnehmung entsteht. Der Urban Maker Club will ein Inspirationsraum sein, sozusagen: eine Bühnenwerkstatt des Lebens.
Geschichte
Der Urban Maker Club ist ein Projekt der Jugendkunstschule im Direktorenhaus Berlin. Ziel ist es, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene früh mit Kunst, Handwerk und Kreativität in Kontakt zu bringen. Der Urban Maker Club realisiert Feriencamps und Projektwochen an Schulen. Für junge Erwachsene bietet die Junge Akademiegruppe eine berufsorientierende Förderung. Diese gibt die Möglichkeit einer schulbegleitenden Ausbildung, die mit Auslandsaufenthalten kombiniert werden kann, um Einblicke in europäische Werkstätten, Studios oder Manufakturen zu geben.
Team
Die Mentorinnen und Mentoren, die Eure Kurse leiten, sind erfahren in ihrem Fach: Sie betreiben eigene Ateliers, Werkstätten oder Unternehmen. Sie sind neugierig darauf, was ihr könnt oder wissen wollt. Falls Euch eine Sache besonders Spaß macht und ihr euch sogar eine berufliche Zukunft vorstellen könnt, helfen Euch die Mentorinnen und Mentoren mit wertvollen Tips und Kontakten weiter.
Jugend ohne Handwerk!
Unsere Schulausbildung ist heute — und das bereits seit zwei Jahrzehnten — überwiegend „handwerkslos“. Schüler machen nichts mehr mit ihren Händen, nur noch mit dem Kopf. Eigentlich überraschend! Jeder Mensch würde die Ansicht teilen, dass Kreativität von Kindesbeinen an gefördert werden sollte. Der Glaube an kreatives Lernen und Tun, bei dem die schöpferischen Kräfte des Menschen im Mittelpunkt stehen, war schon der Ausgangspunkt für die Gründung des modernen Kindergartens im Jahr 1873 durch Friedrich Fröbel. Schon damals erfand Fröbel (bewusst oder unbewusst) einen Bildungsansatz, der auch ideal auf die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts zugeschnitten wäre: eine Pädagogik, die auf Interaktion mit der Umwelt setzt und den Kindern die Möglichkeit bietet, mit Spielzeug, Bastelmaterial und anderen Gegenständen zu interagieren. Man sollte also meinen, dass das kreativ-gegenständliches Lernen seinen festen Platz im Kita- und Schulalltag haben sollte, gerade in Deutschland, wo Reformpädagogik hoch im Kurs steht. Doch das ist nicht der Fall. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts fiel dieser Unterricht den Reformen zum Opfer. In der modernen Wirtschaft, so die Begründung, müsse man nicht bohren können. Statt an der Werkbank zu stehen, saßen die Kinder nun auf der Schulbank und lasen Texte über Berufsfelder. Früher hatten Schulen häufig Holz- und Metallwerkstätten, wo das Fräsen, Löten, Sägen und Schleifen unterrichtetet wurde. Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit werden kaum mehr gelehrt, die Handarbeit ist komplett zurückgedrängt — in der Berufsausbildung durch Maschinen und digitale Tools und in der Schule durch Kopfarbeit.
Der Status quo also: eine Welt, in der die Hände nichts mehr zu tun haben. Unzählige technische Geräte verbessern und ersetzen heute den Spielraum der Hand. Die Arbeit der Zukunft ist Wissensarbeit ohne Hände, und unsere Geräte agieren durch gesprochene Befehle. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass Kinder fast überhaupt nicht mehr in Berührung mit der gegenständlichen Welt kommen. Es benötigt nicht viel Phantasie, um zu verstehen, dass Sinnesorgane Anregung brauchen, um zu funktionieren, sie müssen benutzt werden, um nicht zu verkümmern. Anregungen für vielseitige Sinneserfahrungen gehen von der räumlichen Gestaltung der Umwelt aus und der Art, wie wir uns in ihr zurechtfinden. Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer mediatisierten Welt auf, in der Erfahrungen aus zweiter Hand gewonnen werden. Diese Welt ist technisiert, sodass es schwieriger wird, Zusammenhänge zu begreifen. Unsere Welt besteht aus einseitigen Sinneserfahrungen, die ein Unterangebot an Reizen in körpernahen Sinnbereichen bieten. Folge: Kindern fehlt die ausbalancierte Stimulierung aller Sinne. Sie leben in einer reizintensiven Umwelt, ohne Zeit und Gelegenheit zu haben, die Vielzahl der Reize zu verkraften. Und so scheint es unvermeidlich: Weil in der heutigen Lebenswelt die Voraussetzungen für eine vielseitige Sinneserfahrung nicht mehr gegeben sind, müssen gezielt Situationen – auch in der Schule – geschaffen werden, um einseitige Reize auszugleichen. Aktuelle pädagogische Konzepte haben noch keine befriedigende Antwort auf die Frage gefunden, wie sich die heutige, digital geprägte Lebenswirklichkeit mit einem Bildungsansatz verbinden ließe, der die ganzheitliche sinnliche Wahrnehmung berücksichtigt.
Handwerk ohne Jugend!
Das Ergebnis der Akademisierung der Schulbildung ist nun zu besichtigen: wir haben die ersten zwei Generationen, die ohne Handwerk aufgewachsen sind. Alarm schlägt nun die Wirtschaft, und zwar in zahlreichen europäischen Ländern. So auch in Deutschland: Fast alle handwerklichen Betriebe in Deutschland leiden unter einem chronischen Mangel an Jugend, und es gibt praktisch kaum mehr junge Menschen, für die Handwerk ein Lebensinhalt darstellt. Laut einer Studie des „Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft“ (KOFA) vom April 2021 fehlen dem Handwerk 54.000 Gesellen und 5.500 Meister, 28.000 Ausbildungsplätze im Handwerk sind in diesem Ausbildungsjahr noch unbesetzt. Es kommen immer weniger junge Menschen nach, vor allem immer weniger solche, die die Voraussetzungen mitbringen könnten, in einem anspruchsvollen Segment des Handwerks zu arbeiten.
Was tun? Die „KOFA-Studie“ versucht sich in Antworten. Sie stellt z.B. heraus, dass es angesichts des Fachkräftemangels von besonderer Bedeutung sei, die duale Ausbildung im Handwerk transparent zu machen und möglichst „zielgruppengenau“ zu kommunizieren. Insbesondere sei es wichtig, Berufe für Schülerinnen und Schüler in der Phase der Berufswahlorientierung erlebbar zu machen, beispielsweise durch Praktika oder Schulkooperationen. In der separaten Handlungsempfehlung „Schulkooperationen gestalten“ geht das „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ auf die Zusammenarbeit zwischen Schulen und einzelnen Unternehmen ein. Durch eine Kooperation mit einer Schule könnten Unternehmen die Schülerinnen und Schüler schon früh ansprechen, um sie für eine Ausbildung im eigenen Haus zu begeistern. Dies sei eine gute Möglichkeit, um dem Fachkräftemangel selbst aktiv zu begegnen. Die Vorteile für die Unternehmen bestünden laut der Studie in der Stärkung der Personalauswahl, der Erhöhung der Passgenauigkeit der Auszubildenden sowie in der Erhöhung des Prestiges des Unternehmens als Ausbildungsbetrieb. Schulen wiederum profitierten durch eine Kooperation vom Expertenwissen aus der Praxis und könnten ihren Schülerinnen und Schülern wertvolle Einblicke in unternehmerisches Handeln und wirtschaftliche Zusammenhänge eröffnen. Derzeitige Praxisbeispiele wie der „Arbeitskreis Schule Wirtschaft“ informieren Jugendliche über Ausbildungsmöglichkeiten in Unternehmen. Für „kooperationserfahrene Profis“ empfiehlt die Handlungsempfehlung Schulen und Unternehmen, im Sinne einer „Verantwortungsgemeinschaft Bildungsprozesse gemeinsam zu erarbeiten“. Diese könnten unterschiedliche Formen annehmen wie Projektarbeiten, Patenschafts- und Mentorenprogramme, die Unterstützung von Schulveranstaltungen, Eltern-Aufklärungsarbeit oder die Mitgestaltung von Unterrichtseinheiten. Soweit die Ideen der KOFA-Studie.
Handwerk an der Schule: je früher — desto besser!
Ist die Berufsorientierung aber nur dazu da, den Betrieben Auszubildende zuzuführen? Kann es nicht um mehr gehen, vielleicht eine grundsätzliche Orientierung im Leben? Ausbildung oder Studium? Welchen Vorbildern folgen? Für was oder welche Werte möchte ich mich einsetzen? Könnte ich mich trauen, auf das Studium zu verzichten, um eine handwerkliche Meisterausbildung anzufangen? Eine punktuelle Erfahrung in einem Betrieb kann Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen liefern, ist aber kein Ersatz für eine grundlegende Orientierung. Neue Bildungskonzepte müssen viel früher ansetzen. Schon in den ersten Jahren der Schule sollten die Schüler auf eine (vom Arbeitsmarkt unabhängig gedachte) spielerische Art lernen, kreativ zu denken und zu handeln. Bereits vor der eigentlichen Phase der Berufsorientierung müsste es Schülern möglich sein, ihre Talente zu entdecken.
Die Entwicklung der natürlichen Talente hat viel mit dem Umfeld zu tun, in dem Kinder aufwachsen und den Möglichkeiten, die ihnen geboten werden. Es müsste eine Kultur etabliert werden, bei der Kinder und Jugendliche langfristig und begleitend zur Schule — vom Schulbeginn in der 1. Klasse bis zum Abschluss — über mehrere Jahre ihre Interessen, kreative Energien und Talente, vielleicht auch handwerkliche, entdecken können.
Design-didaktischer Bildungsansatz!
Der design-didaktische Ansatz, den das Direktorenhaus in Berlin in Zusammenarbeit mit Pädagogen, Designern und Lernforschern entwickelt hat, möchte helfen, das Handwerk wieder an die Schulen zu bringen. Dieser Bildungsansatz setzt auf Erkenntnisse von Design Thinking, Synästhesieforschung und Psychologie auf und folgt Erfahrungen aus der Lernforschung.
Grundlage bietet die Erkenntnis, dass Kreativität auf dem Fundament einer ganzheitlichen Wahrnehmung entsteht. So wie eine Melodie nicht die Summe einzelner Töne ist, ist Wahrnehmung ein ganzheitlicher Vorgang: die Verschmelzung mehrerer Eindrücke zu einer Gesamtempfindung („Synästhesie“). Ein design-didaktischer Ansatz verfolgt das Ziel, Schüler auf ganzheitliche kreative Weise experimentieren zu lassen, z.B. im Rahmen von Projektwerkstätten im außerschulischen Bereich, die jedoch fester Teil der Schule sind: entweder als teilstationärer Werkstatt-Raum oder – noch besser – als separates Atelierhaus, das wie ein kulturell grundierter Maker Club fungiert. Der Club könnte inhaltlich und architektonisch so konzipiert werden, dass er optimale Voraussetzungen zur Aneignung von Erfahrungen bietet, die alle Sinne ansprechen: als Inspirationsraum, als Bühnenwerkstatt des Lebens. Ein Maker Space, der nur Tools bereitstellt, ist zu wenig und zu maskulin gedacht. Wissensvermittlung muss aus ihren sinnlichen Ursprüngen abgeleitet werden. Damit werden Ideen der ästhetischen Bildung aufgegriffen, wie sie auch z.B. bereits im Bauhaus aktuell waren. Im aktuellen Lernansatz des Direktorenhauses werden u.a. auch Forschungsansätze fruchtbar gemacht, die etwa am MIT Media Lab um den Professor für Lernforschung Mitchel Resnick entwickelt wurden, deren Erkenntnisse sich auf die vier Leitprinzipien zusammenfassen lassen: „Projects (Projekte), Passion (Leidenschaft), Peers (Freunde) und Play (Experimente)“. Dieser Ansatz geht davon aus, dass der beste Weg zur Förderung von Kreativität darin besteht, Schüler darin zu unterstützen, an Projekten zu arbeiten, die in ihnen Leidenschaft entfachen, um zusammen mit gleichgestellten Freunden und Bekannten in diesem Rahmen spielerisch zu experimentieren. Dieser Ansatz ist nicht technikskeptisch, sondern Technologie gegenüber neutral. Er bewertet technische Tools in diesem Zusammenhang nicht ethisch, sondern versucht, unabhängig von moralischen Kategorien nach Aktivitäten zu suchen, die den kreativen Ausdruck der Kinder fördern – ganz egal, ob der Weg über High-Tech, Low-Tech oder No-Tech gefunden wird. Aus dem design-didaktischen Ansatz heraus wurde das Konzept des Urban Maker Clubs entwickelt.