Handmade in Germany

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Das industrielle „Made in Germany“ ist in die Jahre gekommen. Made in Germany war lange Zeit ein Garant für Werte wie Präzision, Solidität und Stabilität, die Qualitätsgarantie der deutschen Wirtschaft. Über Jahre haben sich Industrie und Mittelstand über Preis und Niveau von der Konkurrenz abgesetzt. Doch das alte Made in Germany ist ein erschöpftes Konzept: Die Globalisierung tritt in eine neue Phase ein, die Informationstechnologiebranche ist auf dem Vormarsch, bei denen die klassischen Qualitätsmerkmale von „Made in Germany“ in den Hintergrund treten. Die neuen, datengetriebenen Geschäftsmodelle in den flexiblen digitalen Ökosystemen erfordern andere Werte, eine andere Schnelligkeit und auch eine andere finanzielle und politisch-strukturelle Basis.

  • Bisch-Chandaroff, Serie BC2

Die meisten der erfolgreichen digitalen, plattformbasierten Geschäftsmodelle wurden bislang in den USA entwickelt, bereits kurz darauf gefolgt von China, einem Land, in dem täglich 15.000 neue Firmen gegründet werden. Man benötigt keinen besonderen Scharfsinn, um die Prognose treffen zu können, dass in den nächsten Jahren in diesen Technologiefeldern außerhalb Europas ein technologischer Vorsprung erreicht sein wird, den Europa in dieser Form kaum aufholen kann.

Die unvermeidliche Reaktion in Deutschland und Teilen Europas ist: nachholen, was verpasst wurde. Gesprochen wird von neuen Wertschöpfungsnetzwerken und vor allem der Verbindung der physischen Welt mit der Daten-Welt. Da die chinesische Industrie in absehbarerer Zeit gleichwertige Exzellenz bei Industrieprodukten und Anlagen wird fertigen können (oder dies schon tut) und gleichzeitig bei einem großen Heimatmarkt deutliche Vorteile bei den Herstellungskosten vorweisen kann, verlagert man die Hoffnung vor allem auf drei strategische Felder:

  • Neue Architekturen für Smart Products, also Maschinen und Anlagen, die speziell für die Plattform-Ökonomie entwickelt werden.
  • Neue digitale Engineering und Manufacturing-Methoden, die massive Kostenvorteile bei der Herstellung vorweisen
  • die Echtzeit-Analyse von Betriebsdaten als Grundlage für höhere Profitabilität.
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Das neue Leistungsversprechen „Made in Germany“, das vor allem Unternehmensberatungen herausarbeiten, wird in Lösungen für eine signifikante Erhöhung der Profitabilität erwartet – durch die Individualisierung und Optimierung der „Smart Products“ im laufenden Betrieb durch Software, Daten und Services. Man kann diesen Weg gehen und wird ihn in vielen Branchen gehen müssen. Aber wieso wird wirtschaftlicher Fortschritt eigentlich ausschließlich technologisch gedacht?

„Handmade in Germany“ setzt sein Qualitätsversprechen am stärker werdenden Bedürfnis nach einem Konsumwandel an. Deutschland kann seine Produktion, die sich immer als Qualitätsproduktion (nicht Luxusproduktion) verstand, völlig neu bewerten: als eine Produktion, die auf andere Qualitäten des Lebens zielt, die auf die akuten basalen menschlichen Bedürfnisse eingeht, die sich mit Fragen wie der Postökonomie, dem Klimawandel oder dem Anthropozän verbindet. Die Frage nach dem Umgang des Menschen mit den einzelnen Elementen seiner Umwelt und den möglichen Zukünften, die sich aus der Verschiebung der bislang festgefügten Denkmuster und ‑konventionen ergeben, ist derzeit nicht in einem ausgefeiltem, konzisen Modell im Hinblick auf den Produktionsstandort Deutschland durchdacht.

Das ist kein romantisches Projekt. „Handmade in Germany“ ist kein Qualitätszeichen für eine besondere Handwerksleistung, etwa im Sinne einer nebulösen „Meisterschaft“, sondern ein Anforderungsprogramm für Produkte, die sich von den Hochgeschwindigkeits‑, Simultaneitäts- und Multitasking-Anforderungen des Digitalen absetzen.

Aktueller Termin:
Kolloquium „Handmade in Germany. Neue Werte“
12.7.2019
Direktorenhaus, Berlin